Projekte erfolgreich managen – ein Interview zum Thema „Moving Targets“ mit Dr. Martin Moss anhand eines Praxisbeispiels.
Dr. Martin Moss:
Mein Coaching Kunde war Projektleiter bei einem großen Unternehmen und hatte die Aufgabe, eine neue Lösung, bestehend aus Hardware und Software zu beschaffen, zu implementieren und anschließend auszurollen. Das beinhaltete auch die Lieferantenauswahl für die Hardware-Komponenten.
Die Herausforderung, wie sich herausstellte, war – dass in den Meetings des Lenkungsausschuss die Ziele für das Projekt im Kleinen, sowie im Großen ständig verändert wurden.
Dem Projektleiter gegenüber wurde dann im Lenkungsausschuss so argumentiert, dass es doch kleine Änderungen wären, die man doch einfach nebenher mit erledigen könnte, da würde man kein Budget und Zeit extra benötigen.
Oder, dass er als erfahrener Projektleiter doch ganz genau mit Übernahme des Projektes wusste, dass solche Zielveränderungen ein Teil eines derartigen Projektes wären. Davon hätte er doch ausgehen müssen.
Dr. Martin Moss:
Die größten Herausforderungen für den Projektleiter waren, dass Budget und die Zeit nicht angefasst wurden. Das heißt: hier waren die Termine und das Budget fix.
Viel schlimmer für den Projektleiter wurde mit der Zeit die Situation im Projektteam, denn hier wurde das Team mehr und mehr mürbe. Wichtige Entscheidungen haben gefehlt, Richtungen haben sich ständig geändert, Ziele wurden neu definiert und ergänzt – die Frustration bei den Teammitgliedern ging langsam aber stetig nach oben. Und genau in diesem Moment hat mich mein Coaching Kunde informiert und um Unterstützung gebeten.
Dr. Martin Moss:
Mit meiner Methode zur Projektsteuerung „Bridging for Motivation“ gehe ich immer 3 Schritte durch. Diese sind das Erkennen von Symptomen, das Entschlüssen der Ursache(n) und das Lösen. Die Lösungen die ich dann empfehle sind nicht immer nach dem Schulbuch, doch es gilt in brenzligen Situationen machbare und wirkungsvolle Lösungen zu finden. Hauptaufgabe ist gemeinsam mit dem Team, schnell und effektiv das Projektziel zu erreichen. Auf diese Art und Weise kann man Projekte erfolgreich managen.
Dr. Martin Moss:
Ich werde Ihnen drei Symptomen nennen, die das ganze gut beschreiben. Natürlich haben wir im Projekt weit aus mehr Symptome gefunden.
Das erste Symptom:
Am Anfang war die Lieferanten-Auswahl im Projekt der entscheidende Punkt und hier hat das Team eine Entscheidungsmatrix, basierend auf Referenzkunden, Informationsgesprächen, technischen Anleitungen und ähnliches erstellt. Es hat sich dadurch ganz klar herausgestellt, dass ein Lieferant von fünf als Favorit gesehen werden musste. Seine Lösung war denen der Konkurrenz klar überlegen und passte zu den Anforderungen des Projektes am Besten.
Es gaben auch K.O.-Kriterien, die eben ganz klar zeigten – es musste Lieferant 1 genommen werden.
Im Meeting des Lenkungsausschuss, in dem diese Entscheidung anstand, gab es eine große Überraschung: der Lenkungsausschuss hat sich nicht für Lieferant 1 entschieden, sondern entschied sich für eine Teststellung, also einen kompletten Testaufbau im eigenen Unternehmen mit diesem Lieferanten und auch mit dem zweitplatzierten Lieferanten.
Zeitlich hat man allerdings die Ziele nicht angepasst. Das hat man auch ganz klar dem Projektleiter kommuniziert.
Das zweite Symptom:
Für den Testaufbau, hat sich das Team richtig ins Zeug legen müssen und dabei entstand sehr viel Druck. Und auch hier gab es wieder eine Überraschung kurz vor Fertigstellung des Testaufbaus.
Der Testaufbau bestand aus zwei Komponenten. Komponente A, das Frontend, also alles was die Nutzer direkt sehen. Aber auch im Backend war es notwendig Server und andere Hardware Komponenten zu installieren.
Kurz bevor der Aufbau des Backend starten sollte und hier im Serverraum Hardware installieren musste, hat der Lenkungsausschuss dieses untersagt und gestoppt.
Sie haben im letzten Moment klar gesagt, sie werden den Testaufbau reduzieren und zwar wollten sie plötzlich nur noch das Frontend testen und nicht mehr das Backend. Das Backend sollte lediglich simuliert werden, was natürlich die Möglichkeiten des Tests stark eingeschränkt hat.
Das Projektteam war vor den Kopf gestoßen und fragte sich, warum dann der Aufwand überhaupt notwendig war? Das hätte man schon am Anfang wissen und entscheiden können.
Symptom Nummer drei:
Hier nehme ich ein anderes, vergleichbares Beispiel, damit die Anonymität des Projektes gewahrt bleibt:
Stellen Sie sich einfach vor, Sie müssen ein Meeting Raum für den Vorstand einrichten, und dazu benötigen sie natürlich auch Stühle, und über dieses sollten die Mitglieder des Lenkungsausschusses eine Entscheidung treffen.
Sollten es entweder kleine, normale, unauffällige Stühle sein, die von der Sitzqualität nicht so toll waren, die aber sehr günstig und damit auch im Budget veranschlagt waren.
Oder die Stühle der mittlere Qualitätsstufe B, sehr schön und deutlich bequemer, aber natürlich schon um einiges teurer und nicht mehr im Budget.
Oder aber die Luxusvariante, Nummer C, die natürlich dann deutlich teurer waren, als im Budget veranschlagt.
Auch hier gab es keine Entscheidung vom Lenkungsausschuss, obwohl die Stühle, die zur Auswahl standen, auch zum Probesitzen bereit standen. Nach dem Probesitzen gab es mehrere Meinungen und das Ende vom Lied – der Projektleiter wurde beauftragt – zum Vorstand zu gehen und den Vorstand direkt zu fragen, welche Stühle er haben möchte.
Es war dem Projektleiter sofort klar, dass er mit diesem Thema nicht einmal Termin beim Vorstand eines so großen Unternehmens bekommen würde. Wer aus dieser Führungsebene würde sich die Zeit nehmen, um auf Stühlen Probe zu sitzen?
Bestenfalls würde man ihn ignorieren, wahrscheinlicher war, man würde an seiner Kompetenz und seinem Urteilsvermögen zweifeln. Und genau das war das Problem für den Projektleiter.
Dr. Martin Moss:
Nur wenn ein Projektteam gemeinsam an einem Strang zieht und zum gleichen Projektziel dann habe ich eine Chance ein Projekt umzusetzen. In diesem Fall konnte man nur dann ein „Winning Team“ bekommen, wenn man den Lenkungsausschuss, in die Situation zu bekäme, dass er mit dem Projekt mitzieht, und nicht wie bis Dato schwankt und Ziele neu „interpretiert“.
Dr. Martin Moss:
Das Ziel dieser Ursachenanalyse war herauszufinden, warum die Mitglieder des Lenkungsausschusses, genau diese bisherigen Entscheidungen getroffen haben. Sie hatten einen Grund, warum es aus ihrer Sicht wichtig und notwendig war, diese neuen Ziele erreicht zu sehen.
Nach dem wir die Checkliste untermauert mit den Symptomen durchgegangen waren, erkannten wir aus unserer Sicht die Ursache für dieses Verhalten.
Die Situation war, dass die Mitglieder des Lenkungsausschuss Angst hatten, Fehlerentscheidungen zu treffen, für die sie später bestraft werden würden. Sehen wir uns die drei Symptomen an, und warum es so passierte?
Mit der Entscheidungsmatrix für einen Lieferanten, lag aus Sicht des Projektteams alles für eine gut fundierte Entscheidung auf dem Tisch. Was zum damaligen Zeitpunkt dem Projektteam nicht bekannt war, war die Tatsache, dass die Mitglieder des Lenkungsausschusses meinten, dass Lieferant Nummer zwei, über sehr gute Kontakte zu einem Vorstandsmitglied verfügte.
Und hätte man sich jetzt für den Lieferant A entschieden und Lieferant B wäre unberücksichtigt geblieben, hatte man Angst, dass dieser Lieferant seine Beziehung spielen lassen würde und so vielleicht irgendwelche persönliche Folgen zu erwarten wären. Und aus dieser Angst heraus gab es keine Entscheidung.
Dann die Testumgebung: Es hat sich dann bei der Analyse herausgestellt, dass der Grund, warum man den Testaufbau im Backend abgelehnt hatte, die Kosten waren.
Der Lieferant hat zwar alle Kosten übernommen, für die Hardware und für den Aufbau. Es gab allerdings interne Kosten für Räumlichkeiten, Netzwerk, gewisse Voraussetzungen mussten auch bei den Räumlichkeiten getroffen werden, und die hat natürlich der Lieferant, keiner von beiden, übernommen.
Und genau diese Kosten sind dem Lenkungsausschuss zu einem relativ späten Zeitpunkt bewusst geworden, und das war dann der Zeitpunkt, an dem sie die Notbremse gezogen haben. Die Kosten waren nicht im Budget. Sie waren im Vergleich zum Gesamtbudget des Projektes nicht wirklich wesentlich, trotzdem wollte sie keiner vertreten.
Nun die Geschichte mit den Stühlen. Es wollte niemand verantwortlich sein, wenn der Vorstand, der sich kuschelig zum ersten Mal in einen Stuhl setzt, unzufrieden reagiert und sich fragt: „Wer hat den DEN ausgesucht?“
Auf der anderen Seite, die Luxusvariante C zu nehmen, die nicht im Budget war, wollte auch niemand vertreten. Auch hier wollte keiner am Ende vom Vorstand hören: „Warum haben sie derart teure Stühle gekauft?“
Die Ursache für all diese Symptome: die Angst für eine Entscheidung evtl. bestraft zu werden.
Dr. Martin Moss:
Die Lösung, die ich Ihnen jetzt erzählen werde, die ist natürlich abhängig von den Menschen in diesem Projekt, dem Projekt selbst, dem Unternehmen und seiner Unternehmenskultur.
Das heißt, Sie können die Lösung, die ich hier habe, nicht einfach auf andere Projekte übertragen. Eine Ursachenanalyse ist immer zwingend notwendig, denn ähnliche, ja sogar gleiche Symptome können eine ganz andere Ursache haben. Das Ergebnis kann von Projekt zu Projekt völlig unterschiedlich sein.
Die Lösung war: wir haben gesehen, dass wir Entscheidungen so vorbereiten müssen, dass sie aus Sicht des Lenkungsausschuss „wasserdicht“ waren. Das heiß, es durfte keine Risiken mehr geben, dass jemand für die Entscheidungen bestraft werden könnte.
Stühle, Lieferant, Backend – das waren sehr empfindliche Themen. Es war klar, dass der Projektleiter nicht zum Vorstand gehen konnte. Die Lösung wurde letztendlich im Projektteam gefunden.
Es gab aus dem Projektteam heraus gute informelle Kontakte zu einer vorstandsnahen Person, die zudem auch Interesse an diesem Projekt hatte, da sie technisch sehr interessiert war.
Diese Person wurde eingeladen, sich den Testaufbau bei dem alles zur Verfügung stand, anzusehen. Es wurde abends ein halbstündiger Termin angesetzt, so dass dieser Termin „auf dem Weg nach Hause“ statt fand und diese Person einfach vorbei kommen konnte.
Sie kam zu dem Termin, hat sich das Ganze angeschaut, war begeistert von der Technik, hat sich Vieles erklären lassen und nebenbei wurden genau diese Fragen gestellt, die das Team beantwortet haben wollten. Die Kontakte des B-Lieferanten zum dem Vorstand wurden geklärt, ebenso welcher Stuhl denn sein Favorit wäre.
Es wurde dann offen darüber gesprochen, wie die Situation im Projekt ist, und die Person hat zugestimmt, dass sie namentlich samt ihrer Präferenzen genannt werden durfte. Mein Coaching Kunde hat daraufhin einen Bericht verfasst, und ebenfalls eine Präsentation für die Lenkungsausschussmitglieder gehalten.
Darin wurde dargestellt, wie die Situation ist, zwischen dem zweiten Lieferanten und dem Vorstand, die Empfehlungen für einen Stuhl wurde unterstrichen und was den Testaufbau betrifft, wurde auch hier ganz klar gesagt, welche Testszenarien durchzuführen waren, und wie der Test ohne Backend durchgeführt werden konnte.
In diesem Fall haben wir es geschafft, eine sichere und fundierte Entscheidungsvorlage dem Lenkungsausschuss zu geben.
Dr. Martin Moss:
Es gab jetzt Entscheidungen des Lenkungsausschuss und damit eine klare Richtung. Das Projektteam konnte basierend darauf die nächsten Schritte umsetzen. Die Frustration, die langsam bei den Projektmitglieder aufgestiegen war, löste sich wieder auf und das war dann auch der Grund, warum man das Projektziel dennoch erreichen konnte.
Die Entscheidung für einen Lieferanten, war gerade noch so getroffen worden, dass man den Zeitrahmen einhalten konnte.
Ja, es wurde zeitlich eng, aber das Team hat es letztendlich geschafft, das Projekt zeitgerecht abzuliefern! Ein schöner Erfolg für das gesamte Team und den Projektleiter.
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