zurückhaltendes Projektteam

zurückhaltendes Projektteam

Projekte erfolgreich führen – ein Interview zum Thema „Das zurückhaltende Projektteam“ mit Dr. Martin Moss anhand eines Praxisbeispiels.

Das zurückhaltende Projektteam – ein Praxisbeispiel im Coaching von Dr. Martin Moss aus der Reihe „Projekte erfolgreich führen“.

Frage: Welche Ausgangssituation haben Sie in diesem Projekt vorgefunden?

Dr. Martin Moss:
Mein Coaching Kunde bekam die Aufgabe, bauliche Maßnahmen in einem großen Unternehmen an verschiedenen Standorten durchzuführen.

Er hat das Projekt einfach und übersichtlich organisiert, und pro Standort ein Teilprojekt mit je einem eigenen Teilprojektleiter ins Leben gerufen.

Von Anfang an bekam er immer mehr und mehr den Eindruck, dass die Mitarbeiter sehr zurückhaltend waren. Das hat sich in allen Aktivitäten und Tätigkeiten bestärkt: bei der Teilnahme und Mitarbeit in Besprechungen, bei Zeitangaben zur Erledigung von Aufgaben und ähnliches.

Es zeigte sich immer wieder, dass die Teammitglieder alle sehr verhalten waren, obwohl in Gesprächen ein recht gutes Verhältnis vorhanden war.

Frage: Was waren in diesem Projekt die größten Probleme aus Ihrer Sicht?

Dr. Martin Moss:
Das Problem in dem Projekt war, dass das Projektteam viel zurückhaltend und zu vorsichtig war, als das die zeitlichen Ziele hätten erfüllt werden können.

Und genau hier hat mich dann mein Coaching Kunde um Unterstützung gebeten und wir haben gemeinsam angeschaut: Warum ist das so?

Frage: Welche Vorgehensweise haben Sie bei Ihrer Methode zur Projektsteuerung?

Dr. Martin Moss:
Mit meiner Projektsteuerungsmethode „Bridging for Motivation“ gehe ich immer die gleichen drei Schritte nacheinander durch. Diese sind – Erkennen von Symptomen, die im Projekt auftreten, Entschlüssen der Ursachen und das Lösen dieser gefundenen Ursache(n).

So erhalten wir Antworten auf die Fragen: „Was ist dort los? Warum ist es so? Und vor allem – wie kann ich es lösen?“

Die gefundenen Lösungen entsprechen nicht immer wirklich dem Lehrbuch. Doch in verzwickten Situation ist eine funktionierende Lösung gefragt, auch wenn sie unkonventionell ist. Aus meiner Sicht ist die Hauptaufgabe gemeinsam mit dem Team, schnell und effektiv das Projektziel zu erreichen.

Frage: Welche Symptome haben Sie hier hauptsächlich vorgefunden?

Dr. Martin Moss:
Der Projektleiter hatte immer mehr den Eindruck, dass er das Team ziehen müsste. Doch wenn das Team und der Projektleiter in unterschiedliche Richtungen ziehen – dann ist das schon ein Problem und das Ziel zu erreichen wird nahezu unmöglich.

Es gab drei Arten von Symptomen, die wir hauptsächlich gefunden und analysiert haben:

Die erste Art von Symptomen kam täglich zum Vorschein. In Gesprächen haben die Projektteam-Mitglieder, gerade wenn es um Zusagen ging (zeitlicher oder inhaltlicher Art), sich immer sehr vage geäußert. Das heißt, man hat immer mit Worten wie „vielleicht“, „es ist möglich“, „eventuell“ geantwortet. Und bei Zeitangaben wurden immer sehr großzügige Pufferzeiten mit eingebaut.

Die zweite Art von Symptomen sah folgendermaßen aus: wenn der Projektleiter ein Besprechungsprotokoll verschickt hatte, kamen sehr schnell Rückmeldungen in der Form, wie: „ja, das hatten wir schon besprochen, aber folgende Details fehlen noch“.

Natürlich hatten die Teammitglieder recht, wenn sie alle Details des Gesprächs in dem Besprechungsprotokoll finden wollten, doch dann werden diese dementsprechend lang – zu lang.

Und ganz ehrlich, sie werden nie das perfekte Besprechungsprotokoll schreiben können, außer sie zeichnen alles auf und transkribieren es. Allerdings sind sie dann viel zu lang und ganz zu schweigen von der benötigten Zeit, um diese Protokolle zu erstellen und dann auch noch zu lesen.

Auch das war ein Problem für den Projektleiter. Er wusste nicht, wie er die Besprechungsprotokolle zur Zufriedenheit der Projektteam-Mitglieder überhaupt noch schreiben sollte.

Die dritte Art von Symptomen zeigte sich im Projektalltag. Jedes Mal wenn im Projektverlauf bei jemandem auch nur eine Kleinigkeit nicht funktioniert hat, wurden sofort sehr lange E-Mails mit der Begründung „wieso, weshalb, warum“ geschrieben.

Es kamen so viele lange E-Mails, das der Projektleiter sie gar nicht alle lesen konnte, besonders wenn er noch zu einer vernünftigen Zeit nach Hause gehen wollte.

Der Projektleiter hatte ein Projektteam, bei dem er wirklich das Gefühl hatte, er zieht an einem Seil, und das Projektteam zieht am gleichen Seil in die genau entgegen gesetzte Richtung. Und genau aus dieser Situation wollte er raus. Ich erhalte nur ein „Winning Team“, wenn wir alle gemeinsam in die gleiche und richtige Richtung ziehen.

Frage: Was verstehen Sie in diesem Umfeld unter einem „Winning Team“?

Dr. Martin Moss:
„Das Team macht die Arbeit, der Projektleiter ist wie ein Steuermann im Projekt. Nur wenn das Team gemeinsam mit ihm an einem Strang zieht bzw. auf das gleiche Projektziel hinzu steuert und das auch noch pro-aktiv und freiwillig, dann spreche ich von einen Winning Team“.

Frage: Was war das Ergebnis Ihrer Ursachenanalyse?

Dr. Martin Moss:
Bei der Ursachenanalyse sind wir einfach die Checkliste zum Entschlüsseln der Symptome durchgegangen. Am Ende haben wir einen Bruchstrich gezogen. Konkret heißt das, wir haben alle Symptome zu den verschiedenen Punkten der Checkliste hinzugefügt und haben als Ergebnis, aus unserer Sicht, ganz klar eine Ursache identifizieren können.

Die Projektteam-Mitglieder hatten Angst vor Bestrafung für mögliche Verzögerungen oder gar das Scheitern des Projektes. Die meisten von ihnen waren bereits sehr lange im Unternehmen und hatte solche Erfahrungen schon selbst gemacht, bzw. bei Kollegen erlebt.

Diejenigen, die sehr viel mit langen E-Mails gearbeitet haben – und umso länger die E-Mail waren, umso länger waren sie im Unternehmen – versuchten sich aus der Schusslinie zu bringen.

In anschließend einzeln geführten Gesprächen haben sie bejaht, dass in Projekten dieser Art bislang oft sie als Schuldige auserkoren wurden, wenn es irgendwie nicht funktioniert hatte. Und das, obwohl der wahre Grund ganz wo anderes zu finden gewesen wäre, z.B. in der Projektdurchführung oder bei den Zielen des Projektsponsors, die einfach unrealistisch oder gar unmöglich waren.

Für sie war vom Anfang an klar, sie müssen hier mitarbeiten, und irgendwann braucht man evtl. einen Schuldigen. Und da wollte man sich einfach absichern. Deswegen kam es immer zu diesen schwammigen Aussagen, großen Pufferzeiten, langen Besprechungsprotokollen und sofortiger Dokumentation, wenn irgendwas nicht optimal lief.

Wir hatten verstanden, warum die Teammitglieder so reagierten und damit die Ursache für die Symptome gefunden. Und sie hatten Recht. „Ich würde es genauso machen in deren Situation. In einem derart politischen Umfeld, in dem ich damit rechnen muss als Schuldiger genannt zu werden – obwohl z.B. das Projekt nicht richtig aufgesetzt wurde oder das Management etwas verbummelt hat – da werde ich mich auch absichern, das ist jawohl klar.“

Frage: Welche Empfehlung hatten Sie für den Projektleiter? Was war die Lösung für dieses Projekt?

Dr. Martin Moss:
Eins vor Weg: die Lösung die jetzt kommt, ist natürlich ganz speziell für die Menschen, die in diesem Projekt waren, für das Projekt (mit diesem Projektziel) und dem Unternehmen, bei dem es durchgeführt wurde. Das heißt konkret, nur für dieses Unternehmen mit dieser Unternehmenskultur – einem hochpolitischen Umfeld.

„Wenn Sie ein Projekt mit ähnlichen Symptomen haben, setzen Sie diesen Lösungsansatz nicht einfach auf Verdacht um. Es wird immer eine Ursachenanalyse benötigt, das ist das Herzstück dieser Vorgehensweise. Meine Erfahrungen in den letzten 10 Jahren haben ganz konkret gezeigt, dass auch ähnliche Symptome zu vollständig unterschiedlichen Ursachen führen können.“

Was haben wir also in diesem Projekt gemacht?

Erstens – der Projektleiter musste zeigen, dass er ein solides Projektfundament hat, welches einen Projekterfolg verspricht. Und zudem, dass er das Projekt professionell zum Ziel steuern kann. Damit sollte das Vertrauen in einen Projekterfolg aufgebaut werden.

Das heißt – die Werkzeuge des Projektmanagmenent mussten sehr speziell für diese Situation eingesetzt werden.

Zweitens – die Kommunikationsstruktur, das Berichtswesen und auch generelle Dokumentationsstrukturen wurden so aufgebaut, dass jeder Zeit bei einer ungerechtfertigten Schuldzuweisung die Argumente mit Fakten verfügbar waren, warum das Projektteam bzw. auch ein einzelnes Projektteam-Mitglied nicht schuld ist.

In der Praxis hat sich der Projektleiter mit den Teilprojektleitern und dem Projektteam abgesprochen, wie jeder im Ernstfall argumentieren sollte.

Hier wurde mit der Risikoanalyse gearbeitet, die die potentiellen Eskalationen enthielt. Zudem wurde definiert, welche Informationen und Fakten in einem solchen Fall vorgelegt werden, und wer welche Argumentationskette benutzen sollte.

Alles wurde für die potentiellen Schuldzuweisungen vorbereitet. Jeder hatte die notwendigen Fakten in Form von E-Mails und Gesprächsprotokollen zur Verfügung, um jeder Zeit sofort reagieren zu können. Jeder konnte argumentieren und darlegen: „das ist die Situation, es braucht hier keine Eskalation, es braucht hier keinen Schuldigen, es läuft gut, wenn auch mit einigen Herausforderungen“.

Und genau das war die Lösung. Das was wir erreichen wollten ist passiert: die Teilprojektleiter und das Projektteam fassten Vertrauen, da jeder seine „Lebensversicherung“ für den Fall einer ungerechtfertigten Schuldzuweisung hatte.

Circa zwei Wochen, nachdem diese Lösung im Projekt installiert war, hatte der Projektleiter auf einmal in allen Standorten ein „Winning Team“ – genau das hatte er gebraucht. Die Teammitglieder haben auf einmal richtig gut mitgezogen.

Frage: Wie hat sich das Projekt weiter entwickelt? Konnte der Projektleiter das Projekt erfolgreich führen?

Dr. Martin Moss:
Es gab dann plötzlich einmal eine große Welle, d.h. eine ungerechtfertigte Schuldzuweisung. Der Projektsponsor hatte ohne den Projektleiter zu informieren (was schon sehr eigenartig ist, aber das kann in einem sehr politischen Umfeld passieren) den Chef-Chef eines Teilprojektleiters angerufen.

Dort hat er sich beschwert, dass dieses Teilprojekt zu langsam wäre, der Teilprojektleiter würde sein Geschäft nicht verstehen, er arbeitete nicht effektiv genug – kurzum: so kämme das Projekt nie rechtzeitig ans Ziel.

Der Teilprojektleiter war verständlicher Weise sehr verärgert, zumal er gerade in einem Kurzurlaub war und dort unsanft darüber informiert wurde.

Als der Projektleiter von der Situation erfuhr, hat er den Teilprojektleiter sofort angerufen, und man hat genau so gehandelt, wie es vorher vorbereitet worden war. Man hat die Argumentationskette mit den E-Mails und Besprechungsprotokollen eingesetzt.

Der Teilprojektleiter hat sie seinem Chef-Chef und der Projektleiter gegenüber dem Projektsponsor vorgelegt. Die Eskalation musste innerhalb von wenigen Tagen eingestellt werden, weil es keinen Ansatzpunkt mehr gab. Man konnte belegen, dass es vielleicht nicht super schnell lief, es lief aber in den Zeiten, wie man sich das vorgestellt hatte.

Nach einigen Gesprächen zwischen Projektleiter und Teilprojektleiter konnte auch das „Winning Team“ in diesem Teilprojekt wieder hergestellt werden. Die gesunde Vertrauensbasis im Projekt und die erfolgreiche Abwehr einer ungerechtfertigten Schuldzuweisung ermöglichten dies.

Das Ergebnis des Projektes – das Ziel wurde erreicht, knapp, es war eine Herausforderung, doch es wurde geschafft. Auch wenn noch ein paar Wellen in dieser Form auf das Projektteam trafen, auch diese konnten entkräftet werden.

 

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