Verhandlungsstrategien

Verhandlungsstrategien

Projekte erfolgreich umsetzen – ein neues Interview zum Thema „Verhandlungsstrategien“ mit Herrn Dr. Martin Moss anhand eines tatsächlichen Praxisbeispiels.

Verhandlungsstrategien oder der externe Lieferant – ein tatsächliches Praxisbeispiel im Coaching von Dr. Martin Moss aus der Reihe „Projekte erfolgreich umsetzen“.

Frage: Welche Ausgangssituation haben Sie in diesem speziellen Projekt vorgefunden?

Dr. Martin Moss:
Mein Coaching Kunde wurde als externer Projektleiter verpflichtet, mit der Aufgabe, ein Produkt mit technischen Neuerungen für das Weihnachtsgeschäft eines mittelständischen Telekommunikationsunternehmens zu realisieren.

Die Herausforderung war ganz klar – Ein Weihnachtsprodukt hat eine sehr definierte Lieferzeit und das Produkt muss auf Biegen und Brechen zur Weihnachtszeit auf den Markt kommen.

Die Besonderheit daran war, dass die Konkurrenz das gleiche Produkt erst für den Monat März des kommenden Jahres angekündigt hatte. Bei Gelingen dieses Projektes wären 3-4 Monate Vorsprung für dieses Telekommunikationsunternehmen am Markt gegeben und damit wollte man sich wichtige Marktanteile sichern.

Man hatte sich ausgerechnet, dass es mit dem neuen Produkt und diesem Vorsprung im Weihnachtsgeschäft möglich wäre, in einem Massenmarkt ca. 10% der Marktanteile für sich zu sichern. Daher war die Euphorie groß und das Projekt hatte eine immense Wichtigkeit für den Vertrieb und den Geschäftsführer dieses Unternehmens in Deutschland.

Frage: Aus Ihrer Sicht Herr Dr. Moss, was waren die größten Probleme?

Dr. Martin Moss:
Der externe Projektmanager hat sofort mit dem Lieferanten angefangen das Projekt zu planen. Dieser Lieferant war mit seinen Programmierern für die Kodierung der benötigten Funktionen zuständig. Schon in den ersten Wochen bemerkte der Projektleiter, dass das Projekt auf ein großes Zeitproblem zusteuerte.

Und wenn für dieses zeitliche Dilemma keine Lösung gefunden würde, könnte das Produkt nicht zum Weihnachtsgeschäft ausgeliefert werden.

So konnte er dieses Projekt keinesfalls erfolgreich umsetzen. Und genau mit dieser Problematik hat mich mein Kunde kontaktiert und um Schützenhilfe gebeten.

Frage: Welche Vorgehensweise nutzen Sie bei Ihrer Methode zur Projektsteuerung?

Dr. Martin Moss:
Projekte erfolgreich umsetzen – das ist es, was ich mit meiner Projektsteuerungsmethode „Bridging for Motivation“ anstrebe und erreiche. Dabei gehe ich systematisch immer 3 zwingend aufeinander aufbauende Schritte durch. Ich beginne mit dem Erkennen der auffallenden Symptome im Projekt.

Diese werden dann in eine Checkliste eingetragen und das anschließende Entschlüssen dieser Symptome bringt die Projekt-spezifische Ursache(n) hervor.

Dann geht es an das Lösen der Ursachen. Oftmals erfordert eine gute Lösung ein gewisses Maß an Kreativität, d.h. meine Vorgehensweisen sind nicht immer nach dem Schulbuch. Meine Methode unterstützt das Finden einer kreativen Lösung.

Aus meiner Sicht ist die Hauptaufgabe des Projektleiters, gemeinsam mit dem Projektteam, schnell und effektiv das Projektziel zu erreichen.

Frage: Welche vorrangigen Symptome haben Sie bei diesem Projekt hauptsächlich gefunden?

Dr. Martin Moss:
Wir haben natürlich eine ganze Reihe Symptome gefunden, doch hier beschränken wir uns auf die Wesentlichen.

Lassen Sie mich das erste Symptome erläutern: obwohl der Lieferant, der Projektleiter des Lieferanten und auch seine Programmierer sehr gut mitarbeiteten, hat der Lieferant nicht die benötigten Ressourcen bereitgestellt, d. h. nicht alle Programmierer, die man benötigte, standen zu Verfügung.

Und das obwohl man in der Planung alle einzelnen Schritte definiert hatte, die Zeiten fest gelegt wurden und ebenso die Quality Gates. Daraus war ersichtlich, wieviele Programmierer benötigt wurden.

Die Programmierer des Lieferanten sollten eine spezielle Schulung bekommen. Diese Schulung wurde seitens des Lieferanten von Woche zu Woche nach hinten verzögert. Das war ein sehr markantes Symptom.

Das nächste Symptom war sogar mit bloßem Auge deutlich sichtbar. In den Gesichtern des Projektleiter des Lieferanten und der Programmierer hat man täglich die Lust und den Enthusiasmus an der Projektarbeit weiter schwinden gesehen.

Diese Symptome haben wir genommen und analysiert. Hier zeigte sich sehr klar, dass irgend etwas schief lief und der Projektleiter brauchte dringend ein starkes Team, das an einem Strang zieht – ein Winning Team – und genau das hatte er in diesem Moment nicht.

Frage: Was verstehen Sie unter einem „Winning Team“?

Dr. Martin Moss:
Ein „Winning Team“ ist für mich genau das, was ich eben erläutert habe. Es ist ein Team, dass gemeinsam für das gemeinsame Projektziel an einem Strang zieht. Leider haben die wenigsten Projekte ein solches Team. Ein Winning Team ist die Grundlage für Erfolg im Projekt, mit einem solchen Team ist es leicht, Projekte erfolgreich umzusetzen.

Frage: Was war das Ergebnis dieser Ursachenanalyse?

Dr. Martin Moss:
Bei der Ursachenanalyse haben wir die Symptome genommen und damit die Checkliste der Ursachenanalyse ausgefüllt. Wir haben daraufhin erkannt, dass die Ursache in diesem Projekt in den Vertragsverhandlungen zwischen dem Lieferanten und dem Einkauf des Unternehmens lagen. Diese Verhandlungen liefen sehr zäh.

Was war dort die Situation? Der Projektleiter hatte (aufgrund des Zeitdrucks) sofort mit dem Lieferanten begonnen das Projekt umzusetzen. Von Tag eins an war der Lieferant dabei, obwohl er damals noch nicht beauftragt worden war.

Der Lieferant hatte dann in Absprache mit dem Projektleiter ein faires Angebot abgegeben und der Projektleiter hat ihm zugesichert, dass dieses faire Angebot vom Einkauf zeitnah unterschrieben werden würde. So wollten beide gemeinsam zügig zum Projektziel hinarbeiten.

Doch wie bereits gesagt, wurden die Gesichter auf Lieferantenseite immer länger. Es lag daran, dass der Auftrag an den Lieferanten nach mehreren Wochen noch nicht erteilt worden war.

Und beim Lieferanten bauten der Vertriebschef und der Geschäftsführer natürlich Druck auf ihren eigenen Projektleiter auf. Die Botschaft war klar: „wir arbeiten mit, doch wir können hier noch nicht alle Ressourcen freigeben, denn wir haben schlichtweg noch nicht die Unterschrift unter dem Auftrag, d.h. wir haben gerade Kosten und deren Bezahlung ist nicht garantiert.“

Und so kam eines Tages der Projektleiter des Lieferanten zu meinem Coaching-Kunden, den externen Projektleiter und offenbarte ihm die Sachlage.

Beim Lieferanten waren bereits Kosten in sechsstelliger Höhe entstanden. Daher benötigte er dringend den Auftrag und zudem wollte er auch innerhalb weniger Tage eine sechsstellige Abschlagszahlung für die bereits geleistete Arbeit.

Entgegen der vorherigen Vereinbarung, den Auftrag zügig zu erteilen, ging es in den zähen Vertragsverhandlungen – zwischen dem zentralen Einkauf und dem Lieferanten – unterschwellig immer um den Preis.

Der Grund: Der Einkäufer hatte ein ganz anderes, vorgegebenes Ziel. Er sollte Dienstleistungen nur einkaufen, wenn er den angebotenen Preis um 20% kürzen konnte.

Auch die Argumente, dass das Weihnachtsprodukt dringend benötigt wurde und, dass eigentlich alles schon vorher abgestimmt worden war, konnte der Einkäufer nicht akzeptieren.

Er erklärte, dass er die Ziele und Vorgaben, also die internen Regel des Unternehmens einhalten müsse, da er sonst seine persönlichen Ziele nicht erreichen würde. Er musste aus seiner Sicht die Regeln einhalten und pauschal alle Dienstleistungsangebote mit minus 20% verhandeln und dazu gehörte eben auch dieser Vertrag.

Wir erkannten die Problematik die in einer Win-Lose-Verhandlungsstrategie mit dem Lieferanten lag. Für den Einkauf war die Sachlage einfach: Der Lieferant sollte froh sein, dass mit ihm verhandelt wurde und er so einen Auftrag erhalten konnte. Und wenn es ihm nicht passte, dann gäbe es genug andere potentielle Lieferanten.

Das war die Theorie und eben auch Vorgehensweise des Einkaufs bei seinen Verhandlungen. Doch das war absolut unrealistisch für diesen speziellen Fall, denn für dieses Produkt gab es gar nicht die Zeit einen anderen Lieferanten zu suchen.

Außerdem war dieser Lieferant genau der richtige, denn er hatte aus vergangenen Projekten die richtige Leute und die Erfahrung für dieses Unternehmen und dieses Produkt.

Frage: Welche Empfehlung hatten Sie für den Projektleiter? Was war die Lösung für dieses Weihnachtsprojekt?

Dr. Martin Moss:
Wir wollten alles strukturiert und schnell auflösen, da die Zeit drängte. Die erste Idee, die naheliegend ist – eine Eskalation über den Geschäftsführer, beziehungsweise den Leiter des Einkaufs, um hier eine Unterschrift unter das Angebot zu bekommen.

Uns war jedoch klar, dass bei der Größe dieses Unternehmens, es leicht vier bis acht Wochen dauern würde. Und so viel Zeit hatte der Projektleiter nicht, denn der Lieferant hatte angekündigt, in wenigen Tage die Arbeit niederzulegen.

Die Lösung, die wir jetzt hier angewendet haben, ist natürlich abhängig von diesem Projekt, von den Menschen dort, dem Umfeld und den Unternehmensstrukturen.

Der Projektleiter hat ein Treffen mit dem Projektsponsor, seinerseits Vertriebschef organisiert und mit ihm die Situation besprochen und ihm unseren ausgearbeiteten Vorschlag unterbreitet.

Der Sponsor hat fast gelächelt, denn wir hatten eine Idee dabei, auf die er sehr schnell einsteigen konnte.

Die Idee war, dem Einkauf die Genugtuung der „minus 20% Strategie“ zu geben und aus einem anderen „Topf“ die Differenz für den Lieferanten aufzutreiben.

Der Projektsponsor hatte selbst in seinem Ressort so viel Budget zur Verfügung, dass es für ihn überhaupt kein Problem war, diesen Betrag, diese minus 20% aufzufangen.

Der erwartete Return on Investment von diesem Projekt war für ihn und das Unternehmen um ein vielfaches höher, als die gesamten Projektkosten.

Er verstand auch, dass es keine Zeit für eine Eskalation gab, denn Weihnachten ließ sich nicht verschieben – entweder das Produkt war rechtzeitig verfügbar oder die Chance auf die angepeilten Marktanteile war vertan.

Daher hat der Vertriebschef seinerseits dem Projektleiter das Angebot gemacht, 30% Budget beizusteuern. Seine Vorstellung war folgende: der Lieferant sollte 30% bekommen und dafür sofort zwei Servicerechnungen à 15% stellen. So konnte der Lieferant dann unter dem Strich nicht nur 100% abrechnen, sondern sogar 110%.

Die Idee war, diese zusätzlichen 10%, die bereits vorab bezahlt wurden, als Puffer für etwaige Änderungen zur Verfügung zu haben.

Frage: Wie hat sich das Projekt weiter entwickelt? Wurde das Produkt rechtzeitig fertig?

Dr. Martin Moss:
Der Projektleiter ist umgehend zum Projektleiter und zum Vertriebschef des Lieferanten gegangen und hat ihnen diese Alternative vorgeschlagen. Sie waren sofort einverstanden damit und genau das ist dann auch umgesetzt worden. Der Lieferant hat umgehend zwei Servicerechnungen in Höhe von jeweils 15% gestellt, die sofort aus dem Vertriebsbudget bezahlt wurden.

Der zentrale Einkauf des Unternehmens hat seine Strategie umsetzten können und den offiziellen Auftrag mit -20% abgeschlossen. Postwendend sind die benötigten Ressourcen, die Programmierer gekommen, denn der Lieferant hatte sie bereitgehalten, er hat sie nur nicht frei gegeben. Auch die Schulungen sind kurzfristig durchgeführt worden.

Generell war dieses Projekt, bedingt durch den Weihnachtstermin, ein heißes Eisen, doch nun konnte der Projektleiter es zielgerichtet durchführen. Getreu nach dem Motto: Projekte erfolgreich umsetzen.

Ja, es wurde spannend, doch der Projektleiter und das Projektteam haben es geschafft. Die Marktanteile, die das Unternehmen erreichen wollte, nun ja, auch das ist aufgegangen. Das Projekt war ein großer finanziellen Erfolg für das Telekommunikationsunternehmen und ebenfalls für meinen Coaching Kunden.

 

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